Pferde gehören zu Juist, wie
der Strand, das Watt und das Kurhaus. Auf keiner der
ostfriesischen Inseln spielen Pferde so eine große Rolle wie auf
Juist. Und das ist nicht erst heute so, dass war schon immer so.
Wann die ersten Pferde nach Juist kamen ist
unbekannt. Es wird spekuliert, dass sie Abkömmlinge von
schiffbrüchigen Rössern waren, die von havarierten
Kreuzfahrerloggen vor der Insel an Land schwammen und rasch
verwilderten. Ebenso ist es aber auch möglich, dass sie auf
Geheiß des Herrschergeschlechts der Cirksena auf Bant
ausgesetzt, und mit der Zeit aus den Augen verloren wurden.
Zumindest hat sich die die Familie Cirksena regelmäßig aus dem
Reservoir der Juister Wildpferde regelmäßig Nachschub für den
Bedarf an Reittieren herausfangen lassen.
|
Henricus Ubbius, gelehrter Humanist,
ostfriesischer Kanzler und Verfasser einer lateinischen
Ostfriesland-Beschreibung, erwähnt in diesem 1530
veröffentlichten Werk die Juister Wildpferdrasse, "die sich nur
von den Kräutern oben an den höchsten Dünenkuppen unter
freiestem Himmel nährt. Sie hat sich noch nicht an den Anblick
der Menschen gewöhnt, geschweige, dass sie ihre Annäherung
duldet. Die Pferde sind ungewöhnlich schnellfüßig und lassen
sich nur durch ausgespannte Seile fangen und in andere Länder
abführen."
Die Juister Wildpferde müssen durchaus respektable Renner
gewesen sein. Das weiche Geläuf auf Sand- und Wattboden kräftigt
die Muskulatur, und die Seeluft ist Pferden nicht minder
bekömmlich als den Menschen.
|
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts befand sich auf
Juist das größte Gestüt Ostfrieslands. Auf den Salzwiesen
weideten bis zu 100 Pferde. Das lässt erahnen, wie groß die
Insel damals gewesen sein muss, wenn man die alte
Züchtererfahrung berücksichtigt, wonach ein Pferd im Sommer etwa
einen Hektar Weideland und im Winter sogar zwei benötigt.
Pferdeknechte sorgten für Ordnung auf den Koppeln. Graf Enno
III. von Ostfriesland (1599-1625) war offenbar recht zufrieden
mit seinen Juister Pferdeknechten, denn er ließ für sie,
sorgfältig dokumentiert, schon mal "eine Tonne Bier" springen.
Die Jungs hatten auch bestimmt viel Arbeit. Wenn das Gras auf
dem kargen Eiland nicht ausreichte, musste weiteres Futter von
der Nachbarinsel Bant herangeschafft werden, die damals noch
erhebliche Ausmaße aufwies. Bereits 1628 war aber mit dem Gestüt
Schluss. Die Insel war zu klein und die Versorgung wurde zu
mühsam.
|
Auch heute noch dominieren die Pferde das Bild der
autofreien Insel Juist. Mit Kutschen oder Fuhrwerken
werden ganze Umzüge bewerkstelligt, Personen, Güter und
Gepäck befördert, sogar die Müllabfuhr oder der
Leichenwagen kommen hier per Pferdewagen daher.
Nach getaner Arbeit genießen die Pferde das
außergewöhnliche Privileg, sich frei auf den zur
Zwischenzone des Nationalparks gehörenden Salzwiesen
tummeln zu dürfen. Das hat einen ganz einfachen Grund:
Andere Weideflächen gibt es auf Juist gar nicht. Von
daher haben die Rösser auch heute noch praktisch den
Status von Wildpferden - und ganz ähnlich sehen manche
von ihnen auch aus. |
|
|